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Drei Fragen an Karolin Schwarz

created Tuesday October 07, 06:49 by LPD24


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Karolin Schwarz arbeitet als Referentin bei democ, einem Verein, der sich mit antidemokratischen Bewegungen auseinandersetzt. Sie ist Expertin für Rechtsterrorismus sowie Rechtsextremismus im Netz und untersucht dessen Strategien und Methoden.
 
Frau Schwarz, Sie forschen zur extremen Rechten und wie sie in der Öffentlichkeit wirkt. Wie kommunizieren Rechte?
-> Mit der Popularisierung des Internets und den sozialen Medien ist das Angebot extrem rechter Inhalte sehr viel größer geworden. Neben lang etablierten Kommunikationsangeboten wie Musik, Online-Shops mit Propagandautensilien und Medienaktivismus kommunizieren Akteur*innen auch über Memes, Comics, Podcasts und eine Vielzahl von Videoangeboten für alle möglichen Zielgruppen. Inhaltlich haben diese Angebote viel gemeinsam: Oft geht es um emotionalisierte Themen wie Migration und Flucht oder andere angebliche Bedrohungen für Land und Gesellschaft, auch die Leugnung des menschengemachten Klimawandels ist populär. Die Themenvielfalt allerdings ist eher gering, die Feindbilder klar definiert und priorisiert werden Inhalte, die negativ emotionalisieren - also Wut oder Angst auslösen und deshalb durch Algorithmen verstärkt werden. Online wie offline lässt sich immer wieder beobachten, dass extrem rechte Akteur*innen sich im Wechsel als Held*innen auserkoren sehen, um eine völkisch begriffene Nation zu "retten". Und im nächsten Moment inszenieren sie sich dann als Opfer von vermeintlicher Zensur oder systematischer Manipulation. In all diesen Fällen greifen sie zu Vereinfachung, Verdrehungen und Provokationen, mit dem Ziel, ihre Ideologie in den Köpfen bestehender und potenzieller Anhänger*innen zu verankern. Wahlergebnisse und Studien zeigen, dass diese Strategien zumindest bei einer großen Minderheit der Bevölkerung fruchten.
 
Was sind spezifisch rechte Kommunikationstechniken und wie funktionieren sie?
-> Dazu gehört das ständige Austesten der Grenzen des Sagbaren, mit dem Ziel, diese permanent zu verschieben. Oder Desinformation, also die bewusste Täuschung von Menschen. Häufig geht es dabei um die positive Selbstdarstellung oder, andersherum, um die Verunglimpfung politischer Gegner*innen oder die von Institutionen z.B. mithilfe von Falschbehauptungen.
-> Auch Bedrohung und Einschüchterung sind Teil der Strategie. Das betrifft neben Politiker*innen und Aktivist*innen auch Vertreter*innen aus Wissenschaft, Medizin und Wirtschaft. Die Folgen sind der Rückzug von Kommunalpolitiker*innen oder die Tendenz zur Selbstzensur vieler Menschen in ihrer öffentlichen Kommunikation oder zum Rückzug, wie es Umfragen belegen.
-> Eine weitere Methode ist die "Ironievergiftung": Ständige vermeintlich ironische Bemerkungen sollen dafür sorgen, dass Außenstehende nicht klar benennen können, ob eine entmenschlichende oder gewaltverherrlichende Äußerung wirklich ernst gemeint ist. Zugleich soll die eigene Anhänger*innenschaft durch extreme Inhalte kontinuierlich abgestumpft werden.
 
Und was können wir rechter Kommunikation entgegensetzen?
-> Es gibt viele Möglichkeiten etwas entgegenzusetzen. Aber an erster Stelle sollte die Erkenntnis stehen, dass antidemokratische Akteur*innen nach eigenen Spielregeln spielen, die sich demokratische Akteur*innen nicht aneignen sollten. Das betrifft z.B. den Umgang mit Fakten. Wichtig ist, Strategien der Rechten klar zu benennen, Angriffe und Aktionen zu antizipieren und schon auf sie vorbereitet zu sein. Wichtig ist auch, dass Angegriffene Solidarität und Unterstützung erfahren. Und zuletzt:: Wir müssen uns klar machen, dass es nicht mehr darum gehen darf, die extreme Rechte zu "entzaubern" oder zu "demaskieren". Ihre Ziele formulieren sie klar und öffentlich - und damit müssen Politik, Institutionen, Zivilgesellschaft und Journalismus einen entsprechenden Umgang finden.

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