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Abrupt aus einem Traum gerissen, wachte ich auf. Durch das offene Holzfenster am Fußende meines Bettes drang warme Luft und der Glockenklang der Kirche im Hof.
Ich hoffte, die Glocke würde nicht neun schlagen, denn dann käme ich zu spät zum Unterricht. Doch da sie nur siebenmal ihren tiefen, dumpfen Ton erklingen ließ, wusste ich, dass ich mir keine Sorgen machen brauchte. Ich hatte noch Zeit.
Mein Blick fiel auf das Bild meines besten Freundes John, welches auf meinem Nachttisch stand.
Er lächelte darauf, wie er es immer getan hatte. Nie schien er traurig gewesen zu sein. Bis zu dem Tag, an dem er ging. An dem er einfach abgehauen war, ohne mir einen Grund dafür zu nennen. Ich war so wütend auf ihn, weil er mich einfach so verlassen hatte. Hier, im Waisenhaus, hatte ich außer ihm und meiner besten Freundin Nina niemanden, dem ich so vertraute, mit dem ich zu jeder Zeit über alles reden konnte. Ich vermisste ihn.
Seufzend sah ich zur Uhr. Eigentlich hätte ich noch eine halbe Stunde im Bett liegen bleiben können, doch ich würde jetzt sicher nicht mehr schlafen. Ich ging zum Fenster und obwohl es nicht kalt war, fröstelte ich. Dort unten auf dem Hof hatten wir immer zusammen gesessen und geredet. Auch hatte ich Nina und John oft dort unten sitzen sehen. Sie waren ein Paar gewesen, bevor er ging. Wenn er sich doch wenigstens melden würde, damit wir wussten, dass er lebte…
Ich machte mir große Sorgen um ihn. Er war doch auch nicht älter als ich und nun ganz allein da draußen, wahrscheinlich ohne Dach über dem Kopf und ohne eine warme Mahlzeit am Tag...
Dieser Gedanke ließ mir einen weiteren Schauer über den Rücken laufen und ich wollte das Fenster schließen, damit ich nicht weiter daran erinnert wurde. In diesem Moment landete ein Vogel auf dem Fensterstock.
Ich trat erschrocken einen Schritt zurück. Die Taube schien gar nicht scheu zu sein. Es sah so aus, als würde sie sich einfach nur von ihrem Flug erholen wollen. Die anderen Vögel, mit denen die Taube geflogen war, zogen weiter. Die Taube war alleine, doch sie war nicht so eingesperrt wie wir hier. Sie konnte fliegen, wohin sie wollte. Sie war frei.
Ich hörte, wie die Klinke der Zimmertür vorsichtig heruntergedrückt wurde, drehte mich um und blickte in das Gesicht von Nina, meiner besten Freundin und Zimmergenossin hier im Kinderheim. Sie war erst seit Kurzem hier, anders als ich. An meine Eltern konnte ich mich kaum erinnern, ich war 4 Jahre alt gewesen, als sie starben. Das war bereits 11 Jahre her...
"Hi Evelyn. Du bist schon wach?"
Ich lächelte und nickte.
"Ja, die Glocken haben mich geweckt."
"Oh. Mist. Ich hab vergessen, das Fenster zuzumachen." Schuldbewusst verzog sie ihr Gesicht.
"Macht nichts", winkte ich ab und sah, wie ihr Blick auf meinen Schreibtisch fiel.
Sie schloss die Tür und schaute interessiert auf die Zeichnung, die ich heute Nacht angefertigt hatte. Es war ein Mädchen, oder eher schon eine junge Frau, die mir im Traum erschienen war. Als ich mitten in der Nacht wach wurde, ging sie mir nicht mehr aus dem Kopf und ich musste sie malen.
"Wer ist das?", fragte Nina.
"Ich weiß nicht. Ich habe von ihr geträumt und sie Emily Snow genannt. Schöner Name, nicht?“
Da doch keine spannende Story hinter der Zeichnung steckte, schien Nina das Interesse zu verlieren.
"Ja, klingt gut."
Dann lächelte sie mich an und blickte kurz auf das Bild von John, das auf ihrem Schreibtisch stand. Wir hatten das selbe Bild, doch sie hatte einen rosafarbenen, herzförmigen Rahmen darum. Ich hörte ihr betretenes Schlucken, als wieder aus dem Zimmer ging.
Mir war klar, wo sie nun hin wollte. In das Gemeinschaftszimmer, wo viele Leute waren, die Ablenkung brachten. Wie gerne hätte ich mit ihr darüber geredet, ihr und mir selbst damit geholfen, doch immer, wenn ich diesem Thema zu nahe kam, blockte sie vollständig ab. Wir waren beide alleine damit.
Ich wäre am liebsten abgehauen, abgehauen, wie John es getan hatte. Wäre frei gewesen und hätte die Probleme hier vergessen...
Mir kam die kleine Taube hinter mir auf dem Fensterbrett wieder in den Sinn und ich sah nach, ob sie noch da war.
Und das war sie. Obwohl es ihr augenscheinlich wieder besser ging, saß sie doch da und beobachtete mich.
Flieg doch, flieg, du kannst es. Genieße deine Freiheit, dachte ich.
Und wünschte mir, dasselbe tun zu können.
Plötzlich begann ich am ganzen Körper zu zittern. Ich konnte nichts dagegen tun, alles kribbelte und meine Beine gaben unter mir nach. Ich fiel auf den Boden und alles um mich herum schien auf einmal größer zu werden… Oder ich wurde kleiner.
Ich schloss meine Augen und betete, dass ich nur träumte. Es war schrecklich, dass sich dieser "Traum" trotzdem so echt anfühlte, als wäre ich wach. Doch das hier konnte nicht wahr sein.
Durch meine geschlossenen Lider drang ein ungewöhnlich helles Licht, dann war alles vorbei. Ich bewegte mich nicht mehr, es kribbelte nicht mehr. Und trotzdem fühlte sich mein Körper extrem ungewohnt an.
Ich ließ die Augen geschlossen und bewegte mich. Meine Proportionen schienen nicht zu stimmen. Wie merkwürdig…
Lange lag ich da und hoffte, endlich aufzuwachen, dann überstieg meine Neugierde die Angst vor dem, was mein Unterbewusstsein mir da vorspielte. Ich öffnete langsam meine Augen und schaute auf meinen Körper herunter.
Doch das war nicht mein Körper, ich schaute auf den gefiederten Rumpf einer Taube herab. Ich schüttelte den Taubenkopf und hüpfte zum Spiegel, der im Traum genau dort war, wo er auch normalerweise im Zimmer stand.
Und da sah ich es: Ich war tatsächlich eine Taube.
Die andere Taube kam vom Fensterbrett zu mir auf den Boden und sah mich von oben bis unten genau an. Dann sah sie sehr zufrieden aus. Ich wusste nicht, woran ich das sah, aber ich wusste, dass es so war. Irgendwas sagte mir, dass sie sich so fühlte.
Sie öffnete ihren Schnabel und zwitscherte, doch ich verstand trotzdem, was sie "sagte".
"Hallo. Ich bin Moni. Wer bist du?"
Ich war perplex und belustigt zugleich. Träume von sprechenden Tieren hatte ich seit dem Grundschulalter nicht mehr gehabt. Ich probierte, ob ich in diesem Traum auch die Tiersprache beherrschte.
"Ich bin Evelyn Miller", zwitscherte ich.
"Hallo Evelyn. Das ist bestimmt deine erste Verwandlung, oder?"
Ich nickte und wunderte mich, dass ich wirklich mit der Taube reden konnte. Sonst redete ich nie mit Figuren aus meinen Träumen, ich beobachtete sie immer nur. Ich zweifelte etwas, doch ich konnte mir nicht vorstellen, dass ich nicht träumte. Es war nicht möglich… so etwas wie hier gab es nicht in Wirklichkeit.
"Soll ich dir zeigen, wie du dich zurückverwandeln kannst?"
Ungeduldig nickte ich weiter.
"Denke an deinen alten Körper und nehme jedes Körperteil wahr. Dann schließe die Augen und konzentriere dich."
Ich versuchte es. Beim ersten Versuch verlor ich die Konzentration, als das Kribbeln von vorhin wiederkam. Doch beim zweiten Versuch klappte es. Helles Licht umschloss mich, zwang mich, die Augen zu schließen, dann erlosch es und ich lag auf dem Boden. Schnell rappelte ich mich auf und tatsächlich - ich stand wieder als Mensch vorm Spiegel. Gespannt betrachtete ich mich, alles war wie vorher. Vielleicht durfte ich ja jetzt endlich wieder aus diesem merkwürdigen Traum aufwachen.
Die Taube Moni verwandelte sich vor meinen Augen auch zu einem Menschen. Das sah ich, nachdem sich meine Augen von dem grellen Licht, das wahrscheinlich bei jeder Verwandlung auftauchte, erholt hatten.
"So, jetzt wird es einfacher für dich sein, zu reden", meinte Moni.
"Was ist das denn für ein irrer Traum?" Ich wollte es nur denken, doch sprach es laut aus.
Moni legte ihren Kopf schief und sprach, "Das hier ist kein Traum. Das ist Realität."
Ich lachte laut auf. Das konnte nicht sein.
"Ja, klar. Und du bist ein Gestaltenwandler."
"Ganz genau", bestätigte sie, "Und wenn du denkst, du träumst, dann zwick dich doch."
Ich lachte und winkte der Traumgestalt Moni zum Abschied, bevor ich mich zwickte. Dann tat ich es noch mal.
Als ich die menschliche Taube immer noch sah, fing ich an, auf meinen Arm zu schlagen, bis er rot war. Nichts geschah. Doch ich spürte den Schmerz, als wäre er echt.
Ich ging zum Schrank und schlug dagegen, dann zog ich meine Faust schnell zurück und verzog mein Gesicht. Ich verlor meinen Glauben daran, dass alles nur ein Traum war.
"Hey, hör auf, dein Zimmer zu demolieren!", rief die Gestaltwandlerin, die zu meinem Grauen immer noch da war.
"Ich schlafe! Ich träume! Das hier ist nicht echt." Ich versuchte, mich selbst davon zu überzeugen.
Doch ich musste es einsehen. Ich schlief nicht. Ich war vorhin durch die Glocken aufgewacht. Nina war im Zimmer gewesen und alles, was danach passierte, war wirklich passiert. Ich war eine Taube gewesen. Ich war ein Gestaltenwandler. Dieser Albtraum war kein Traum, er war Realität.
Ich sank auf dem Boden zusammen und knallte hart mit dem Kopf an den Schrank. Es war mir egal.
Moni kniete sich vor mich. Sie machte sich ernsthaft Sorgen.
"Ich muss dir helfen, zurecht zu kommen, denn du hast viel zu lernen. Das hier ist dein fester Wohnsitz?"
"Ja, klar", antwortete ich verwirrt.
"Wann hast du Zeit?", fragte Moni.
Was für eine komische Frage. Ich hatte immer Zeit, ich war ja halb Mensch, halb Taube… Ich schaute Moni hilflos an.
"Na du hast doch sicher Schule, oder? Du musst dein normales Leben weiterleben, bis ich dich hier raus geholt habe, Evelyn.“
Ich hoffte, die Glocke würde nicht neun schlagen, denn dann käme ich zu spät zum Unterricht. Doch da sie nur siebenmal ihren tiefen, dumpfen Ton erklingen ließ, wusste ich, dass ich mir keine Sorgen machen brauchte. Ich hatte noch Zeit.
Mein Blick fiel auf das Bild meines besten Freundes John, welches auf meinem Nachttisch stand.
Er lächelte darauf, wie er es immer getan hatte. Nie schien er traurig gewesen zu sein. Bis zu dem Tag, an dem er ging. An dem er einfach abgehauen war, ohne mir einen Grund dafür zu nennen. Ich war so wütend auf ihn, weil er mich einfach so verlassen hatte. Hier, im Waisenhaus, hatte ich außer ihm und meiner besten Freundin Nina niemanden, dem ich so vertraute, mit dem ich zu jeder Zeit über alles reden konnte. Ich vermisste ihn.
Seufzend sah ich zur Uhr. Eigentlich hätte ich noch eine halbe Stunde im Bett liegen bleiben können, doch ich würde jetzt sicher nicht mehr schlafen. Ich ging zum Fenster und obwohl es nicht kalt war, fröstelte ich. Dort unten auf dem Hof hatten wir immer zusammen gesessen und geredet. Auch hatte ich Nina und John oft dort unten sitzen sehen. Sie waren ein Paar gewesen, bevor er ging. Wenn er sich doch wenigstens melden würde, damit wir wussten, dass er lebte…
Ich machte mir große Sorgen um ihn. Er war doch auch nicht älter als ich und nun ganz allein da draußen, wahrscheinlich ohne Dach über dem Kopf und ohne eine warme Mahlzeit am Tag...
Dieser Gedanke ließ mir einen weiteren Schauer über den Rücken laufen und ich wollte das Fenster schließen, damit ich nicht weiter daran erinnert wurde. In diesem Moment landete ein Vogel auf dem Fensterstock.
Ich trat erschrocken einen Schritt zurück. Die Taube schien gar nicht scheu zu sein. Es sah so aus, als würde sie sich einfach nur von ihrem Flug erholen wollen. Die anderen Vögel, mit denen die Taube geflogen war, zogen weiter. Die Taube war alleine, doch sie war nicht so eingesperrt wie wir hier. Sie konnte fliegen, wohin sie wollte. Sie war frei.
Ich hörte, wie die Klinke der Zimmertür vorsichtig heruntergedrückt wurde, drehte mich um und blickte in das Gesicht von Nina, meiner besten Freundin und Zimmergenossin hier im Kinderheim. Sie war erst seit Kurzem hier, anders als ich. An meine Eltern konnte ich mich kaum erinnern, ich war 4 Jahre alt gewesen, als sie starben. Das war bereits 11 Jahre her...
"Hi Evelyn. Du bist schon wach?"
Ich lächelte und nickte.
"Ja, die Glocken haben mich geweckt."
"Oh. Mist. Ich hab vergessen, das Fenster zuzumachen." Schuldbewusst verzog sie ihr Gesicht.
"Macht nichts", winkte ich ab und sah, wie ihr Blick auf meinen Schreibtisch fiel.
Sie schloss die Tür und schaute interessiert auf die Zeichnung, die ich heute Nacht angefertigt hatte. Es war ein Mädchen, oder eher schon eine junge Frau, die mir im Traum erschienen war. Als ich mitten in der Nacht wach wurde, ging sie mir nicht mehr aus dem Kopf und ich musste sie malen.
"Wer ist das?", fragte Nina.
"Ich weiß nicht. Ich habe von ihr geträumt und sie Emily Snow genannt. Schöner Name, nicht?“
Da doch keine spannende Story hinter der Zeichnung steckte, schien Nina das Interesse zu verlieren.
"Ja, klingt gut."
Dann lächelte sie mich an und blickte kurz auf das Bild von John, das auf ihrem Schreibtisch stand. Wir hatten das selbe Bild, doch sie hatte einen rosafarbenen, herzförmigen Rahmen darum. Ich hörte ihr betretenes Schlucken, als wieder aus dem Zimmer ging.
Mir war klar, wo sie nun hin wollte. In das Gemeinschaftszimmer, wo viele Leute waren, die Ablenkung brachten. Wie gerne hätte ich mit ihr darüber geredet, ihr und mir selbst damit geholfen, doch immer, wenn ich diesem Thema zu nahe kam, blockte sie vollständig ab. Wir waren beide alleine damit.
Ich wäre am liebsten abgehauen, abgehauen, wie John es getan hatte. Wäre frei gewesen und hätte die Probleme hier vergessen...
Mir kam die kleine Taube hinter mir auf dem Fensterbrett wieder in den Sinn und ich sah nach, ob sie noch da war.
Und das war sie. Obwohl es ihr augenscheinlich wieder besser ging, saß sie doch da und beobachtete mich.
Flieg doch, flieg, du kannst es. Genieße deine Freiheit, dachte ich.
Und wünschte mir, dasselbe tun zu können.
Plötzlich begann ich am ganzen Körper zu zittern. Ich konnte nichts dagegen tun, alles kribbelte und meine Beine gaben unter mir nach. Ich fiel auf den Boden und alles um mich herum schien auf einmal größer zu werden… Oder ich wurde kleiner.
Ich schloss meine Augen und betete, dass ich nur träumte. Es war schrecklich, dass sich dieser "Traum" trotzdem so echt anfühlte, als wäre ich wach. Doch das hier konnte nicht wahr sein.
Durch meine geschlossenen Lider drang ein ungewöhnlich helles Licht, dann war alles vorbei. Ich bewegte mich nicht mehr, es kribbelte nicht mehr. Und trotzdem fühlte sich mein Körper extrem ungewohnt an.
Ich ließ die Augen geschlossen und bewegte mich. Meine Proportionen schienen nicht zu stimmen. Wie merkwürdig…
Lange lag ich da und hoffte, endlich aufzuwachen, dann überstieg meine Neugierde die Angst vor dem, was mein Unterbewusstsein mir da vorspielte. Ich öffnete langsam meine Augen und schaute auf meinen Körper herunter.
Doch das war nicht mein Körper, ich schaute auf den gefiederten Rumpf einer Taube herab. Ich schüttelte den Taubenkopf und hüpfte zum Spiegel, der im Traum genau dort war, wo er auch normalerweise im Zimmer stand.
Und da sah ich es: Ich war tatsächlich eine Taube.
Die andere Taube kam vom Fensterbrett zu mir auf den Boden und sah mich von oben bis unten genau an. Dann sah sie sehr zufrieden aus. Ich wusste nicht, woran ich das sah, aber ich wusste, dass es so war. Irgendwas sagte mir, dass sie sich so fühlte.
Sie öffnete ihren Schnabel und zwitscherte, doch ich verstand trotzdem, was sie "sagte".
"Hallo. Ich bin Moni. Wer bist du?"
Ich war perplex und belustigt zugleich. Träume von sprechenden Tieren hatte ich seit dem Grundschulalter nicht mehr gehabt. Ich probierte, ob ich in diesem Traum auch die Tiersprache beherrschte.
"Ich bin Evelyn Miller", zwitscherte ich.
"Hallo Evelyn. Das ist bestimmt deine erste Verwandlung, oder?"
Ich nickte und wunderte mich, dass ich wirklich mit der Taube reden konnte. Sonst redete ich nie mit Figuren aus meinen Träumen, ich beobachtete sie immer nur. Ich zweifelte etwas, doch ich konnte mir nicht vorstellen, dass ich nicht träumte. Es war nicht möglich… so etwas wie hier gab es nicht in Wirklichkeit.
"Soll ich dir zeigen, wie du dich zurückverwandeln kannst?"
Ungeduldig nickte ich weiter.
"Denke an deinen alten Körper und nehme jedes Körperteil wahr. Dann schließe die Augen und konzentriere dich."
Ich versuchte es. Beim ersten Versuch verlor ich die Konzentration, als das Kribbeln von vorhin wiederkam. Doch beim zweiten Versuch klappte es. Helles Licht umschloss mich, zwang mich, die Augen zu schließen, dann erlosch es und ich lag auf dem Boden. Schnell rappelte ich mich auf und tatsächlich - ich stand wieder als Mensch vorm Spiegel. Gespannt betrachtete ich mich, alles war wie vorher. Vielleicht durfte ich ja jetzt endlich wieder aus diesem merkwürdigen Traum aufwachen.
Die Taube Moni verwandelte sich vor meinen Augen auch zu einem Menschen. Das sah ich, nachdem sich meine Augen von dem grellen Licht, das wahrscheinlich bei jeder Verwandlung auftauchte, erholt hatten.
"So, jetzt wird es einfacher für dich sein, zu reden", meinte Moni.
"Was ist das denn für ein irrer Traum?" Ich wollte es nur denken, doch sprach es laut aus.
Moni legte ihren Kopf schief und sprach, "Das hier ist kein Traum. Das ist Realität."
Ich lachte laut auf. Das konnte nicht sein.
"Ja, klar. Und du bist ein Gestaltenwandler."
"Ganz genau", bestätigte sie, "Und wenn du denkst, du träumst, dann zwick dich doch."
Ich lachte und winkte der Traumgestalt Moni zum Abschied, bevor ich mich zwickte. Dann tat ich es noch mal.
Als ich die menschliche Taube immer noch sah, fing ich an, auf meinen Arm zu schlagen, bis er rot war. Nichts geschah. Doch ich spürte den Schmerz, als wäre er echt.
Ich ging zum Schrank und schlug dagegen, dann zog ich meine Faust schnell zurück und verzog mein Gesicht. Ich verlor meinen Glauben daran, dass alles nur ein Traum war.
"Hey, hör auf, dein Zimmer zu demolieren!", rief die Gestaltwandlerin, die zu meinem Grauen immer noch da war.
"Ich schlafe! Ich träume! Das hier ist nicht echt." Ich versuchte, mich selbst davon zu überzeugen.
Doch ich musste es einsehen. Ich schlief nicht. Ich war vorhin durch die Glocken aufgewacht. Nina war im Zimmer gewesen und alles, was danach passierte, war wirklich passiert. Ich war eine Taube gewesen. Ich war ein Gestaltenwandler. Dieser Albtraum war kein Traum, er war Realität.
Ich sank auf dem Boden zusammen und knallte hart mit dem Kopf an den Schrank. Es war mir egal.
Moni kniete sich vor mich. Sie machte sich ernsthaft Sorgen.
"Ich muss dir helfen, zurecht zu kommen, denn du hast viel zu lernen. Das hier ist dein fester Wohnsitz?"
"Ja, klar", antwortete ich verwirrt.
"Wann hast du Zeit?", fragte Moni.
Was für eine komische Frage. Ich hatte immer Zeit, ich war ja halb Mensch, halb Taube… Ich schaute Moni hilflos an.
"Na du hast doch sicher Schule, oder? Du musst dein normales Leben weiterleben, bis ich dich hier raus geholt habe, Evelyn.“
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