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Text Practice Mode

Zwischen Ordnung und Chaos

created Sunday June 01, 12:48 by Eryyctf


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Peter war nicht jemand, der oft den Kopf verlor. Ganz im Gegenteil - er war der Typ Mensch, der stundenlang über die Bedeutung eines Satzes oder den subtextuellen Gehalt eines Lächelns nachdachte. Er analysierte, strukturierte, versuchte, Ordnung in das chaotische Universum der zwischenmenschlichen Beziehungen zu bringen. Nur - bei Maren gelang ihm das bisher nicht.
 
Egal wie er versuchte sie einzuordnen, die Modelle in seinem Kopf waren nie gut genug um Sie zu erklären. Sie war für ihn nicht klar einzuordnen. Sie ist Maren - still, klug, strukturiert, aber mit einer leichten Unordnung, die sie irgendwie lebendig machte. Peter hatte sie das erste Mal in der ersten Seminarsitzung bemerkt, als sie zufällig nebeneinander saßen und sich über die Vorlesung lustig machten.  
 
Über die nächsten Wochen kreisten seine Gedanken mehr und mehr um sie, aber er hatte noch nicht den Mut gefunden, mehr als ein paar unverbindliche Worte mit ihr zu wechseln. "Hi", "Na, auch so müde?", "Hast du die Aufgabe schon gelöst?" Er spielte den lockeren, klugen Typen, der immer eine witzige Bemerkung parat hatte. Aber jedes Mal, wenn sie ihn ansah, spürte er, wie sein Puls raste.
 
Maren dagegen fand Peter nett. Vielleicht etwas zu bemüht locker, aber sympathisch. Sie mochte, dass er immer pünktlich war, dass er irgendwie immer unorganisiert, aber trotzdem vorbereitet wirkte. "Seine Notizen sind ein heilloses Durcheinander. Aber er weiß irgendwie immer was in der letzten Vorlesung dran kam und wie alles zusammenhängt." ,dachte sie sich jedes Mal während sie in der Vorlesung nebeneinander saßen. Sie hatte keine Ahnung, dass er sich stundenlang über alle möglichen Situationen nachdachte, durch spielte und sein Verhalten gegenüber ihr penibel plante.  
 
Nach den Vorlesungen, fuhren sie häufig zusammen mit der Bahn. An einem dieser Tage war es außergewöhnlich still zwischen ihnen gewesen, bis Peter die Stille nicht ertragen konnte und aus ihm rausplatzte: "Weißt du, ich hab bemerkt, dass die Wahrscheinlichkeit, jemanden im Alltag zweimal zufällig zu treffen über eine genügend große Zeitspanne, eigentlich relativ hoch ist, aber dass es sich jedes Mal trotzdem besonders anfühlt."
 
Maren lächelte. "Statistik?"
 
"Ja", fuhr er fort, "aber wann man eine Person über diese Zeitspanne trifft ist zufällig. Ich denke, manchmal ist es einfach schön, wenn Dinge passieren, ohne dass man sie genau berechnen kann. Auch wenn es für mich keinen logischen Grund gibt zu denken, dass man mit genügend Wissen, über die Person und das Umfeld die Zeitpunkte nicht berechnen könnte."
 
Zum ersten Mal sah sie ihm etwas länger in die Augen. Langsam sah sie nicht mehr nur als den netten Seminarbekannten, sondern als jemanden, der versuchte, jedes bekannte Detail der Welt einzuordnen und zu verstehen, und der gleichzeitig in der Komplexität dieser Welt verloren war.
 
In den folgenden Wochen sprachen sie häufiger. Über das Seminar, über Bücher, über ihre Lieblingsmusik. Peter merkte, dass Maren oft eine gewisse Zurückhaltung zeigte, als wüsste sie nicht genau, wie viel Nähe sie zulassen sollte. Er drängte nie, sondern ließ die Gespräche leicht und humorvoll. Doch in seinem Kopf plante er jedes Detail: Welche Fragen er stellen könnte, welche Wortwahl für optimal wäre, wie er ihre Antworten analysieren würde, um herauszufinden, was sie mochte.
 
Eines Abends, als sie zusammen in der Bibliothek lernten, platzte es aus ihm heraus. "Ich glaube, ich mag dich. Also, nicht nur mag - ich denke, ich habe Gefühle für dich."
 
Maren war überrascht. Sie schaute ihn an, wirkte für einen Moment überfordert. "Oh", lächelte sie verlegen. Nach einer halben Ewigkeit unsicheren und nachdenklichen Grinsens, stotterte sie leise: "Das das habe ich nicht erwartet."
 
"Ja ich kann mir vorstellen, dass das überraschend kommt", murmelte Peter verständnisvoll, aber sichtlich nervös. "Ich weiß, es ist viel, aber ich habe mir gedachte, dass ich ehrlich zu dir sein will, weil ich jeden Tag das Gefühl habe dich anzulügen, wenn ich meine Gefühle gegenüber dir versteckt halte."
 
Sie schwieg und antwortete locker 2 Minuten Bedenkzeit, die sich wie eine weitere Ewigkeit anfühlte, vorsichtig: „Ich bin nicht sicher, ob ich das auch fühle. Aber ich mag dich. Und ich glaube, ich möchte dich besser kennenlernen.“
 
Peter war über glücklich. Diese Antwort entsprach dem wahrscheinlichsten positiven Szenario, welches er sich ausgemalt hatte. Und auch wenn es eine Antwort war, die er sich ungefähr so vorgestellt hatte, war er von dem Gefühl in der Situation überrascht und später als er im Bett lag auch überwältigt. Denn im Gegensatz zu seinen Vorstellungen, war die Situation echt und das Gefühl des Glücks, der Erleichterung der Nervosität und Anspannung über das was kommt real. (Fortsetzung folgt)

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